Baden, Württemberg und Hohenzollern

Föderale Traditionen

Das Bundesland Baden-Württemberg gibt es erst seit dem Jahr 1952. Vorläufer des heutigen Baden-Württemberg waren drei Staaten: Württemberg, Baden und Hohenzollern (ein preußischer Regierungsbezirk außerhalb der preußischen Kernlande).

Gaertner_Heimatatlas-23

Karte Badens von 1933

Die Bundesländer, die wir heute kennen, entstanden aus einer föderalen Tradition heraus. Bis ins späte 19. Jahrhundert hinein gab es kein „Deutschland“, zumindest nicht als einheitlichen Staat. Stattdessen existierte eine Vielzahl an Monarchien und Fürstentümern, die politisch unabhängig waren. Das 1871 gegründete Wilhelminische Kaiserreich fasste viele (nicht alle) dieser mitteleuropäischen Staaten zu einem deutschen Nationalstaat zusammen. Die Regierung blieb jedoch föderal organisiert und viele politische Strukturen und Entscheidungsprozesse verblieben in Verantwortung der einzelnen Bundesstaaten. Diese Tradition zog sich auch durch die Weimarer Republik und man erkennt sie im föderalen System der Bundesrepublik wieder.

Die Verwaltung der Länder in der NS-Zeit

Die nationalsozialistische Regierung zentralisierte im Zuge der Gleichschaltung die ehemals föderale Verwaltung. Die Gebiete Württemberg, Hohenzollern und Baden (das von 1940-45 auch das besetzte Elsass umfasste) waren seit 1934 unmittelbar der Reichsregierung unterstellte Verwaltungsbezirke.

Die drei Länder waren während der NS-Zeit nicht mehr so selbständig wie zuvor. Doch blieben die praktische Umsetzung der Verwaltung, die Polizei und die Gerichte – und damit auch die Verfolgung und Repression von LSBTTIQ – in großen Teilen Aufgabe der Kommunen und Länder. So geschah die Umsetzung der nationalsozialistischen Herrschaft trotz der Gleichschaltung zu beträchtlichen Teilen auf Länderebene.

Neuordnung der Länder in der Nachkriegszeit und der Bundesrepublik

653px-Geognostische_Karte_Württemberg_Baden_(1860)

Geognostische Karte Württembergs und Badens von 1860

Nach Ende der NS-Herrschaft gliederten die Alliierten die südwestdeutsche Region in die Länder (Süd-)Baden, Württemberg-Hohenzollern (beide französische Besatzungszone) und Württemberg-Baden (US-amerikanische Besatzungszone). Der Staat Preußen wurde 1947 aufgelöst, damit verlor auch Hohenzollern endgültig den Status als eigenständiges Gebiet. Daher beziehen sich Verweise auf Hohenzollern hier immer nur auf die NS-Zeit, nicht mehr auf die Bundesrepublik. 1952 wurden (Süd-)Baden, Württemberg-Hohenzollern und Württemberg-Baden auf Grundlage eines Volksentscheids zum Bundesland Baden-Württemberg zusammengefasst, das bis heute besteht. In der föderal strukturierten Bundesrepublik Deutschland erhielten die einzelnen Bundesländer ihre politische Teilsouveränität zurück.

Ein Blick über die Grenzen: Die Schweiz und Frankreich

Die regionalhistorische Forschung ermöglicht uns einen Blick über nationalstaatliche Grenzen hinaus. Gerade die Grenzregion Baden stand in vielfältigem Austausch mit den Nachbarländern Schweiz und Frankreich.

Die Schweiz spielt für die südwestdeutsche Homosexualitätengeschichte im 20. Jahrhundert eine wichtige Rolle. In der Schweiz war die Rechtslage eine andere als in Deutschland: Seit 1942 waren homosexuelle Kontakte hier legal. Dies machte Schweizer Städte wie Basel oder Zürich zu beliebten subkulturellen Anlaufpunkten auch für deutsche Homosexuelle. Die Schweizer Homosexuellen-Organisation „Der Kreis“ hatte auch deutsche Mitglieder und stand in Austausch mit deutschen Verbänden (in Baden-Württemberg vor allem mit der „Kameradschaft die runde“), und die von der Organisation herausgegebene gleichnamige Zeitschrift war auch in Baden, Württemberg und Hohenzollern verbreitet. Diese Kontakte über die Grenze hinweg ermöglichten einigen verfolgten Homosexuellen die illegale Einreise aus Deutschland in die Schweiz.

Frankreich ist vor allem über das Elsass eng mit der badischen Geschichte verbunden. Die beiden Regionen standen schon immer in engem Austausch. 1940 wurde das Elsass von den Deutschen besetzt und der badischen Verwaltung unterstellt. Die Verfolgung von LSBTTIQ wurde von 1940-1945 also auch auf das Elsass ausgedehnt. In den Vogesen bauten die Nationalsozialisten das Konzentrationslager Natzweiler-Struthof, in dem auch homosexuelle Männer aus den Regionen Baden, Hohenzollern, Württemberg eingesperrt und ermordet wurden.

Weiterlesen:

Baur, Joachim (2002): Landesgeschichten. Der deutsche Südwesten von 1790 bis heute ; das Buch zur Dauerausstellung im Haus der Geschichte Baden Württemberg. Stuttgart: Haus der Geschichte Baden-Württemberg.

Schnabel, Thomas (2000): Geschichte von Baden und Württemberg 1900 – 1952. 1. Aufl. Stuttgart [u.a.]: Kohlhammer.

Weber, Reinhold (Hg.) (2006): Baden-Württemberg. Gesellschaft, Geschichte, Politik. Stuttgart: Kohlhammer (Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Württembergs, Bd. 34).

Nina Reusch ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für Public History am Historischen Institut der Universität Stuttgart.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*