„Einhorn sucht Regenbogen“ – Die queere Schwäbisch Gmünder Geschichtswerkstatt

»Einhorn sucht Regenbogen« – Die queere Schwäbisch Gmünder Geschichtswerkstatt

Von Arnd Kolb, Historiker und Migrationsforscher, Gründer des GAROA-Verlags und Mitarbeiter des Stadtarchivs Schwäbisch Gmünd. Zuvor Geschäftsführer des Dokumentationszentrums und Museums über die Migration in Deutschland (DOMiD) in Köln und Redakteur beim Südwestrundfunk (SWR). In seiner Heimatstadt leitet er die queere Geschichtswerkstatt „Einhorn sucht Regenbogen“.

Queer – ein kurzes Wort und doch so viel mehr: Es geht um Vielfalt, sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität. Es geht aber auch um Achtung und Würde und am Ende vor allem um eins: Liebe. Mit einem offenen Blick auf die Diversität in unserer Stadt möchte das Projekt »Einhorn sucht Regenbogen« lokalen Entwicklungen nachspüren, verborgene Traditionen entdecken und das queere Leben in Gmünd in Geschichte und Gegenwart noch sichtbarer machen.

Dazu wurde im Juli 2022 von den Kooperationspartnern Gmünder VHS, Stadtarchiv, Museum im Prediger und der Stabsstelle Chancengleichheit der Stadt Schwäbisch Gmünd eine queere Geschichtswerkstatt ins Leben gerufen, die versucht, eine Leerstelle in der lokalen Erinnerungskultur zu füllen. Dafür wurden Gespräche geführt und nach Unterlagen und Objekten gesucht und auch gefunden. Gefördert wurde die Geschichtswerkstatt durch Mittel des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg.

Nach einer sehr gut besuchten Eröffnungsveranstaltung fand sich ein Teilnehmerkreis historisch und gesellschaftspolitisch interessierter Menschen, die insgesamt zehn Termine absolvierten. Diese Termine wurden genutzt, LGBTQI*-Geschichte vor Ort greifbar zu machen, indem z. B. die Bestände des lokalen Stadtarchivs und des Museums „queer“ gelesen wurden oder örtliche Akteure, wie die Gmünder Aids-Hilfe, nach Kontakten und Erfahrungen befragt werden konnten. Dadurch entwickelte sich ein reflektiertes historisches Bewusstsein für queeres Leben in verschiedensten Bereichen der Stadtgesellschaft.

Präsentation Geschichtsprojekt „Einhorn sucht Regenbogen“ im Saal der Volkshochschule, Schwäbisch Gmünd, 13. Juni 2023, Quelle: Geschichtsprojekt „Einhorn sucht Regenbogen“.

Inhaltlich zeichnete sich die Arbeit in der Geschichtswerkstatt durch aufbauende Lernprozesse aus. Gelernt wurde einerseits innerhalb der Gruppen und eigenverantwortlich. Das hierbei erworbene Wissen diente dazu, dass alle Teilnehmende nach Abschluss der Geschichtswerkstatt in der Lage waren, geschichtliche Zusammenhänge selbstständig zu bewerten und zu verarbeiten, um am Ende eigene geschichtliche Texte gestalten zu können.

Was dabei herauskam, ist spannend und aufschlussreich: Die Geschichtswerkstatt fand interessante Biografien, Geschichten und Erinnerungsorte zu unterschiedlichen Themenfeldern, sowie zahlreiche Anknüpfungspunkte für weitergehende Forschungsfragen.

Sreenshot der Webseite „Einhorn sucht Regenbogen“.

 

1 Bahnhof

Vom Kommen und Gehen: Der Bahnhof – ein Ort voller queerer Geschichte

2 Stadtgarten / Münsterplatz 19 / Waisenhausgasse

Von Klappen und dem Cruisen – Treffpunkte schwuler Männer in Schwäbisch Gmünd

3 Straßdorf

»Vor Eilzug geworfen« – Das Schicksal der Irene S. und der immerwährende Kampf gegen Ausgrenzung und Diskriminierung

4 Ehemals Gaststätte Kübele, Engelgasse 2

Homosexualität ist sicherer als die Pille – Die HIS (Homosexuellen Initiative Schwäbisch Gmünd) und ihr Kampf um Anerkennung

5 Aidshilfe, Ledergasse 39/1

Die Gmünder Aids-Hilfe: Zur Geschichte von AIDS gehört auch der Kampf dagegen

6 Bocksgasse 38

Der Fall Ernst Haug – Das Schicksal eines NS-»Parteigenossen«, dessen angepasste Existenz aufgrund einer Anklage wegen Verstoßes gegen § 175 zerbrach

7 Münsterplatz

Ein persönlicher Blick auf das Thema Glaube – Kirche – Bibel – Regenbogengemeinde

8 Marienbrunnen, Marktplatz

Ein Interview: Ich bin nicht anders – ich bin ich. Trans in Schwäbisch Gmünd.

9 Hofstatt, ehemaliges Polizeirevier, Brandstatt 1, Hofstatt 3 und 7

Polizei, Strafverfolgung und ein besonderer Paragraf – über die jahrzehntelange Verfolgung Homosexueller in Deutschland.

10 Rathaus, Marktplatz 1

Das Einhorn – Vom Symbol für das ewig Gute bis hin zu einem der bekanntesten LSBTTIQ*- Symbole der Gegenwart

11 Ehemals Margaritenhospital

Ein Kommentar: Auf dem falschen Klo – ein nicht-binäres Leben in Schwäbisch Gmünd

12 Ehem. Gasthaus Stern, Vordere Schmiedgasse 41

»Kreis der Freunde« – Die Lebenswirklichkeit homosexueller Männer in den 1920er Jahren

13 Wenn Schwul sein über Grenzen geht –Das Projekt der Rainbow Refugees in Schwäbisch Gmünd

Alle Beiträge sind auf der Internetseite der Geschichtswerkstatt unter www.einhorn-sucht-regenbogen.de in einem interaktiven Stadtplan abrufbar. Darüber hinaus wurden ausgewählte Texte im Juni und Juli 2023 weiter inhaltlich ausgebaut und zur Gewährleistung ihrer langfristigen Zitierfähigkeit mit ergänzenden Literatur- und Quellenangaben auf Ostalbum, dem Gemeinschaftsblog der Kommunalarchive im und um den Ostalbkreis, unter www.ostalbum.hypotheses.org/ veröffentlicht.

Allein dieser Sachverhalt zeigt, welches Potenzial bereits im recherchierten Quellenmaterial steckt. Die Kooperationspartner und die Teilnehmenden der Geschichtswerkstatt streben deshalb an, das sehr erfolgreich verlaufende Projekt weiter fortzusetzen und zu vertiefen, nicht zuletzt um viele weitere Themenbereiche, die bisher nicht erforscht werden konnten, in den kommenden Monaten aufzuarbeiten.

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